AKWs, was passiert nach 7 Tagen?

Hallo Gruppe,

im "fluter", dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, ausgabe 26/März 2008 war ein Bericht darüber, was wohl passieren würde, wenn alle Menschen auf einmal von der Erde verschwunden wären. Unter anderem steht darin (Seite 44):

"Der Reaktorkern eines Atomkraftweks muss ständig mit Wasser gekühlt werden. Wenn es aber keine Menschen mehr gibt, um diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, wird sich der Kern erhitzen. [...] mir ein Mitarbeiter erklärte, dass das Notstromaggregat sieben Tage läuft. Was danach passieren würde, weiß keiner. Es gibt rund 440 Atomkraftwerke auf der Welt, alle würden nach einigen Tagen explodieren oder ihr Reaktorkern schmelzen."

Ist das so wahr? Ich stelle mir das irgendwie anders vor, zum Beispiel so: In einem AKW gibt es einen Schlüsselschalter, der jede Stunde einmal vom Schichtleiter (der den Schlüssel als einziger hat) betätigt werden muss. Wird in einer Stunde der Schlüsselschalter nicht ausgelöst, geht im ganzen Kraftwerk eine Sirene an. Ist nach 15 Minuten dann immernoch kein Schlüsselschalter betätigt worden, trennt sich das komplette Kraftwerk automatisch vom Netz und fährt sich in einen sicheren Zustand herunter.

Was ist an meinem Gedankengang falsch? Oder ist der Bericht falsch? Immerhin gibt es so ein ähnliches Sicherheitssystem sogar bei Zügen (die ja *viel* weniger kritisch sind als AKWs).

Auf Erhellung hofft, Johannes

--
"Wer etwas kritisiert muss es noch lange nicht selber besser können. Es
reicht zu wissen, daß andere es besser können und andere es auch
besser machen um einen Vergleich zu bringen."     -     Wolfgang Gerber
       in de.sci.electronics
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Johannes Bauer
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Johannes Bauer schrieb:

Wahrlich gut geschwurbelt ist das. Da findet lange vorher eine RESA (engl SCRAM) statt, ganz automatisch, mehrfach abgesichert.

Gruß Dieter

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Dieter Wiedmann

Dieter Wiedmann schrieb:

Wen interessiert es, was AKWs "machen", wenn es keine Menschen mehr gäbe? Außer man gehört zu denen, die an Wiedergeburt glauben, es aber nicht wissen ;-)

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mfg hdw
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horst-d.winzler

"Johannes Bauer" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@joeserver.homelan.net...

Und was ist, wenn der Bericht einfach nicht stimmt? Falsch ist, weil er falsche Aussagen trifft? Zentrale fuer Desinformation und sinnlose Panikmache? Warum liest man so einen Kram?

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Manfred Winterhoff
Reply to
MaWin

Dieter Wiedmann schrieb:

Ah, danke für den Hinweis, jetzt hab ich auch was in der Hand zum Argumentieren... man tut sich immer schwer dagegen zu reden, wenn es doch in so einem Magazin "schwarz auf weiß" steht :-/

Viele Grüße, Johannes

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"Wer etwas kritisiert muss es noch lange nicht selber besser können. Es
reicht zu wissen, daß andere es besser können und andere es auch
besser machen um einen Vergleich zu bringen."     -     Wolfgang Gerber
       in de.sci.electronics
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Johannes Bauer

horst-d.winzler schrieb:

Na, das Gedankenexperiment finde ich eigentlich schon ziemlich interessant - nur dummerweise hat sich der Autor mit dem AKW-Schnitzer völlig disqualifiziert und deshalb muss seine Glaubwürdigkeit natürlich auch für die restlichen Teile dieses Berichts stark angezweifelt werden.

Viele Grüße, Johannes

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"Wer etwas kritisiert muss es noch lange nicht selber besser können. Es
reicht zu wissen, daß andere es besser können und andere es auch
besser machen um einen Vergleich zu bringen."     -     Wolfgang Gerber
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Johannes Bauer

"Johannes Bauer" schrieb:

Hallo Johannes,

ich rate mal, daß der Artikel in Zusammenhang mit einem Buch, das vor kurzem erschienen ist, welches das selbe Thema abhandelt, gedruckt wurde. Wenn dich das Thema interessiert, ist das vielleicht etwas für dich?

Stimmt. Allerdings wird das Ganze bewusst gemacht, um mit dem erhitzten Wasser eine Turbine anzutreiben und verwendbare Energie zu erzeugen.

Nun, das muß man ein wenig differenzierter betrachten: Sobald etwas schiefgeht, wird eine Notabschaltung automatisch durchgeführt. Passiert äußerst selten in D. Die kritische Kettenreaktion wird dadurch innerhalb weniger Sekunden gestoppt, d.h. stark unterkritisch. Allerdings bleibt Nachzerfallswärmeleistung im Kern vorhanden, d.h. der Kern heizt gewissermaßen noch ein wenig nach, die erzeugte Wärmeenergie liegt dabei im Prozentbereich der vorher erzeugten thermischen Leistung. Das ist wenig, aber auch problematisch: bei einem großen Reaktor (z.B. ca. 1200MW el. Leistung = ca. 4000MW thermische Leistung) sind wenige Prozent halt noch bis 400 MW thermisch. Und diese müssen abgeführt werden. Diese Nachwärmefreisetzung dauert natürlich nicht ewig. Anfangsgröße und Dauer hängen davon ab, wie lange der Reaktor vorher gelaufen ist. KKWe legt man natürlich so aus, als ob der Reaktor vorher unendlich lange gelaufen wäre. Dann kann man ungefähr davon ausgehen, daß am Anfang 10% vorhanden sind (wie im Beispiel oben), nach 10000 Sekunden ( Was danach passieren würde, weiß keiner.

Nun, dieser Fall ist ja auch ziemlich hypothetisch... Ich versuche mal eine Erklärung. Ich kenne allerdings nur deutsche und europäische KKWs, wie das ganze bei Reaktoren vom Typ RBMK (z.B. Tschernobyl) o.ä., die bauartbedingt unsicher sind, aussieht, weiß ich nicht.

Nun, zuerst zu dem bauartbedingten: Unsere KKWe können nicht "hochgehen". Sie sind so ausgelegt, daß der Kern, wenn er sich stark erhitzt, sich selbst zum unterkritischen hin reguliert. Hier hat man halt das spaltbare Materieal und Moderator(en) so gewählt, daß die Resonanzabsorptions-, Spalt- und Wirkungsquerschnitte so liegen, daß nichts überkritisch werden kann und somit keine Explosion durch Kettenreaktion ausgelöst werden kann. Bei Tschernobyl war das anders... Was also hier passieren könnte, ist, daß der Kern durch die Restwärme stellenweise sehr heiß wird und beginnt, zu schmelzen. Wenn das ganze noch so heiß ist, daß es den Druckbehälter durchbricht, dann fließt die Schmelze halt unten raus, verteilt sich auf größerer Fläche, kühlt dort ab und sickert evtl. durch das Fundament ins Grundwasser. Moderne KKWs haben für diesen Fall einen sog. Core-Catcher unten drunter. Eher problematisch ist aber das Kühlwasser selbst. Wenn dieses sich stark erhitzt, verdampft es und benötigt somit ein vielfaches Volumen. Wenn dann der Kernbehälter platzt, hat man zumindest im Sicherheitsbehälter im KKW selbst ziemlich viel Strahlung. WENN dieser Sicherheitsbehälter (die große Kugel) denn vorhanden ist. Im Osten ist dieses Sicherheitsbehältnis oft nur eine Art Scheune... Im Sicherheitsbehälter selbst herrscht normalerweise leichter Unterdruck, so daß keine Luft (mit ggf. strahlendem Material) nach draußen kommen kann. Die Luft wird abgesaugt, gereinigt und dann nach draußen gelassen. Wenn denn Strom da ist (-: Da der Sicherheitsbehälter bei 10bar Überdruck auf dichtigkeit getestet wird, dürfte da auch so nix rauskommen.

Keine Ahnung, ob es so eine Vorrichtung gibt (-: Aber sobald was schiefgeht, führt es eine Notabschaltung durch... Das Problem ist halt, wie oben beschrieben, der "sichere" Zustand, der selbst noch beobachtet werden muss.

Um nochmal darauf hinzuweisen: Im großen und ganzen habe ich mein Wissen zu europäischen KKWen beschrieben, welche extrem sicher sind. Allerdings stehen hier halt deutlich weniger als 440 Stück...

Hoffe, ein wenig erleutet haben zu können, an sonsten empfehle ich "Kernenergie Basiswissen", vom Informationskreis Kernenergie zu beziehen und, wenn tieferer Einstieg gewünscht ist, evtl. noch Reaktortechnik I von Prof. Kugeler.

-Ingo

Reply to
Ingo Kaiser

"Dieter Wiedmann" schrieb:

Nuja, nur ist das KKW danach noch lange nicht aus. Die Nachzerfallswärme ist ein Problem, das noch behandelt werden muß - ich habe als Antwort auf den OP etwas mehr dazu geschrieben.

Gruß,

-Ingo

Reply to
Ingo Kaiser

Johannes Bauer schrieb:

passieren würde,

In diesem Zusammenhang auch:

formatting link

Wenn dann noch mit solchen Spezialisten einer Betriebsfeuerwehr zu rechnen ist, die flüssiges Natrium des Kühlkreislaufs mit Wasser "löschen", wie in D geschehen, muß sich keiner mehr irgentwelche Sorgen mehr machen.

--
mfg hdw
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horst-d.winzler

Johannes Bauer schrieb:

Hallo,

wenn der Reaktor längere Zeit in Betrieb war haben sich in den Brennstäben so viele kurzlebige Spaltprodukte angesammelt das diese auch nach dem Runterfahren noch ständig gekühlt werden müssen um ein Schmelzen durch die Zerfallswärme zu verhindern. Das Runterfahren stoppt zwar die Kettenreaktion der Uranspaltung, nicht aber den Zerfall der Spaltprodukte.

Bye

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Uwe Hercksen

Uwe Hercksen schrieb:

Marktlücke: Gebrauchter Brennstab zum Erhitzen eines Schwimmbeckens.

Heizungskosten hauen bei den Kommunen ohnehin schwer ins Budget

--
mfg hdw
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horst-d.winzler

"horst-d.winzler" schrieb:

Hallo,

den kenne ich noch nicht. Kannst du mir was genaueres schicken?

Kann leider auch im Web nichts finden, bin aber auch ein wenig überfragt, welchen SNR in D Du meinst, da es nur einen Versuchsreaktor in Karlsruhe gab, bei dem so etwas aber imho nicht vorgefallen ist.

Danke,

-Ingo

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Ingo Kaiser

Ingo Kaiser schrieb:

Schau mal unter Eintrag Nr.: 15

formatting link

Was dort halt nicht steht, damals aber für Lacher gesorgt hatte, das Betriebsfeuerwehr diesen Natriumbrand mit Wasser versucht hatte zu löschen.

Das Netz vergißt halt nix ;-)

--
mfg hdw
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horst-d.winzler

"horst-d.winzler" schrieb:

Ok, ich wusste nicht, wieweit diesse Anlage schon fertiggestellt war. Gruß,

-Ingo

Reply to
Ingo Kaiser

"Ingo Kaiser" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@mid.dfncis.de...

Dezent verschwiegen wird, dass sich in so einen Fall das geschmolzene Uran durchaus am Boden/unter dem Reaktor sammeln kann, vom bremsenden Steuerstabmaterial trennt und dort in kontinuierlicher Kettenreaktion weiter vor sich hin brodelt, wie ein natuerlicher Reaktor (Uranmine Oklo).

Warum nur, warum nur, hoertest du vorher auf? Ein Schelm wer Lobbyismus vermutet.

--
Manfred Winterhoff
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MaWin

Hallo MaWin,

Und wo ist der Moderator?

Gru=DF Michael

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Michael Kamper

Michael Kamper schrieb:

Hier ist Usenet! Bitte ohne Moderator.

CNR, Dieter

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Dieter Wiedmann

Ingo Kaiser schrieb:

Reicht da nicht die Kühlung über Konvektion?

Gruß Dieter

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Dieter Wiedmann

"MaWin" schrieb:

Weil ich selbst keine Ahnung habe (-: Vielen Dank aber für den Hinweis zu Oklo, davon hatte ich noch nichts gehört.

Was soll ich denn verschwiegen haben? Nun, daß es nicht unbedingt gut ist, wenn ein Core im Erdboden verschwindet, hab ich ja geschrieben. Auch wies ich auf Kontimination des Grundwassers hin, was ja durchaus bedeutet, daß strahlendes Material in die Umwelt gelangt. Daß die Überreste des Cores nach dem von mir genannten "Abkühlen" nicht ungefährlich sind, sollte jedem klar sein.

Um deinen Fall aufzugreifen: Ich würde mir folgendes zusammenreimen: Das Gemisch wird gerade nicht in kontinuierlicher (kritischer) Kettenreaktion weiterbrodeln, sondern nur bei erhöhter Abstrahlung. Eine kritische Masse kann sich ja aufgrund der geringen Anreicherung nicht bilden. Außerdem fehlen ja ggf. Moderator und Reflektor. Wenn ich die Beschreibung zu Oklo und anderen natürlichen Reaktoren durchlese, dann finde ich auch keine Hinweise auf brodelndes Uran, sondern nur zu zeitweise verdampfendem Wasser.

Oder hab ich da irgendetwas übersehen?

Gruß,

-Ingo

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Ingo Kaiser

"Michael Kamper" schrieb:

Vorhanden. Falls Grundwasser da ist.

Gruß,

-Ingo

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Ingo Kaiser

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