WYSIWYG ist für umfangreichen Massentext noch nie zeitgemäß gewesen.
WYSIWYG, so wie es heute verstanden wird, ist gut, wenn ich was visuelles entwerfe. Ein Plakat oder ein Deckblatt. Dann will ich sehen, wie das auf dem Papier aussehen wird.
Wenn ich strukturieren Massentext verfasse, will ich die Struktur sehen. Ich will sehen, ob das Wort kursiv ist, weil ich es als Indexeintrag markiert habe, als Zitat oder als Fremdwort. Und das kann ich mit LaTeX ganz vorzüglich. Mit Word nicht.
In der Firma gibt's zum Beispiel eine tolle Vorlage mit toll verschachtelten Tabellen. Dank WYSIWYG sieht man davon nur ein paar Striche auf dem Bildschirm, die man ausfüllen muss. Eine neue Zeile ans Ende anfügen geht auch ganz toll einfach: letzte Zeile markieren, Ctrl-C, Ctrl-V. Nur eine Zeile in der Mitte einfügen geht nicht. Egal, was man markiert, *Word bietet einfach keine Funktion dafür an*. Wenn man eine Tabellenzelle in der Mitte einfügt, legt Word eine Untertabelle an. In LaTeX geht das einfach: den Befehl, der eine Zeile erstellt, markieren und an der gewünschten Stelle einfügen.
(Wie es in Word geht, hab ich inzwischen auch gelernt: die Tabelle in zwei Tabellen zerlegen, so dass an der gewünschten Einfügestelle ein Tabellenende ist, und dort kann man wieder was anfügen. In anderen Worten: man macht die Struktur des Dokuments "das ist _eine_ Tabelle" vorsätzlich kaputt, um um die Einschränkungen der GUI drumherum zu rangieren. Irgendwie erschließt sich mir nicht, was daran ein Vorteil sein soll.)
Stefan