Elektronische Kamera-Stabilisierung

Ich quäle mich mit der Idee, ein Video zu drehen, wie ich mit meinem kleinen Segelboot über die Ostsee schippere. Wenn ich die Kamera fest mit dem Boot verbinde, scheint dieses stillzustehen, während der Horizont dermaßen schaukelt, dass einem übel wird. Ich hätte es deshalb gern umgekehrt.

Die Frage ist dabei, wie ich die Kamera stabilisiere. Eine kardanische Aufhängung müsste her, bei der zwei Motoren die Kamera immer in die Waagerechte drehen. Ein Motor für die Nickbewegungen, der zweite für die Rollbewegungen.

Möglichkeit 1: über Fotowiderstände den Sonnenstand registrieren und die Motoren so ansteuern, dass die Kamera immer die gleiche Stellung relativ zur Sonne einnimmt. Preiswert, aber aufwändige Justierung vor jeder Aufnahme, und ich muss immer geradeaus segeln.

Möglichkeit 2: elektronische Kreisel. Dazu meine Fragen:

1.) Wie funktionieren die überhaupt? Könnte es sein, dass der Kreisel, der die Nickbewegungen erkennen soll, auch auf Bremsen und Beschleunigen des Bootes reagiert?

2.) Ich habe nur Kreisel gefunden, die in Hubschrauber- modell eingebaut werden sollen. Dementsprechend sind auch die Beschreibungen, die viel über die Benutzung aussagen und nichts über elektrische Werte und Verhalten. Hat irgend jemand vor mir schon mal solche Kreisel "zweckentfremdet" und hat Erfahrungen damit?

Paul Lenz

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Paul Lenz
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Motoren braucht es imho nicht. Eine lange Stange (Hebelwirkung) mit Gewicht unten dran würde immer zum Erdmittelpunkt zeigen. Das Problem wird eher die Dämpfung sein.

Grüße, H.

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Heinz Schmitz

Paul Lenz schrieb:

Zumeist werden keine elektronischen Kreisel verbaut, sondern einfache Geschwindigkeitssensoren: z.B.

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(hoffentlich habe meine beiden den Transport ueberlebt)

Es gibt dann noch Erdmagnetfeldsensoren, die bei Modell-Hubschraubern auch schon mal verbaut werden.

Funktionsweise ist entweder pizoelektrisch, dass die Bewegung in Energie umgewandelt wird oder ueber ein Widerstandsnetzwerk. In beiden Faellen bewegt sich innerhalb des Chips etwas durch die Traegheit und dies wird gemessen.

Elektrische Kreisel hingegen messen die Laufzeit von Licht in 4 Lichtleitern, die gegeneinander in einem bestimmten Winkel aufgehangen sind. (teilweise auch drei) Das Licht hat auch eine Traegheit und bei Bewegungen aendert sich das Verhalten des Lichts im Lichtwellenleiter. Die Technologie ist verhaeltnismaessig neu und die genaue Funktionsweise mir noch verschlossen. Jedenfalls kann man mit diesen Teil ohne GPS seine Position auf wenige Meter bestimmen, wenn man in den Bordcomputer zu Begin eine richtige Startposition eingegeben hat.

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Stefan Engler

Falsches Konzept, zu viel Aufwand an der falschen Stelle.

Schau mal im Internet nach "SteadyCam"; du wirst eine Menge Anregungen finden für's Stabilisieren deiner Kamera.

--
Rolf
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R.R.Kopp

Stefan Engler schrieb:

Die habe ich immer für Beschleunigungssensoren gehalten ;-) Mit einer geeigneten Masse (Planet Erde) in der Nähe messen die auch Neigung.

Die benutzen Gyroskope, weil Magnetometer zu stark gestört werden.

...

Die kleinen Gyros enthalten eine kleine oszillierende Masse und die bei einer Drehung auftretende Corioliskraft wird gemessen.

Falk

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"Ihr werdet euch noch wünschen wir wären politikverdrossen."
Max Winde (Twitter)
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Falk Willberg

Paul Lenz schrieb:

Interessanter (und billiger und unaufwendiger) ist sicherlich so eine mechanische kardanische Aufhängung.

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Die sollte es im maritimen Zubehör geben. Passende Größe sollte sich finden lassen, sonst halt selbst bauen. Die Kamera montierst du dann mit einem kleinen Stab *unter* diese Aufhängung. Ihr Gewicht sollte das ganze dann gerade (also zum Horizont ausgerichtet) halten.

Und vielleicht würden sich zwei Kameras anbieten, eine nach vorn, eine auf dich gerichtet. Jede der Perspektiven für sich gesehen ist an sich langweilig. Aber so kann man das fetzig zusammenschneiden.

Ralf

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Ralf Koenig

Paul Lenz schrieb:

Warum willst Du das so kompliziert machen, die Kamera wird auf einen Stab geschraubt, auf dem Stab sitzt eine Kugel welche in einer Halbschale mit Bohrung gelagert wird, unten an den Stab ein Gewicht, das Ganze freischwingend gelagert, fertig. Erfahrene Videoamateure nehmen gerne für Freihandaufnahmen eine volle große Wasserflasche auf die die Kamera geschraubt wird, mit selbst gebasteltem Adapter. Das wirkt erstaunlich stabilisierend. Und das Ganze klappt ohne Elektronik absolut sicher.

MfG, André

--
André Grafe
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André Grafe

Stichwort zum Googlen nach Bauanleitungen: "Steadycam"

Hergen

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Hergen Lehmann

Meine Empfehlung: nach "Steadycam" googeln, dann gibt's Bauanleitungen.

--
Rolf
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R.R.Kopp

"R.R.Kopp" schrieb:

Steadycam ist mir durchaus ein Begriff. Ich habe aber auch gelesen, dass dessen Benutzung viel Übung braucht, und mein Boot hat keine Übung :)

Die Sache mit dem Gewicht, das die Kamera senkrecht hält, habe ich selbst schon ausprobiert. Dieses Prinzip gleicht zwar das Schaukeln des Bootes aus, aber jede Geschwindigkeitsänderung führt zu einem Nicken der Kamera, und jede Richtungsänderung führt zu einem Rollen. Beides ist aber bei einem Boot nicht zu vermeiden.

Irgendwo habe ich auch gelesen, dass Steadycam gar nicht mit solch einem Gewicht arbeitet, sondern dass (vermutlich eben aus o.g. Grund) die Kamera austariert werden muss, sodass ihr Schwerpunkt haargenau im Drehpunkt des Kardangelenkes liegt und dass sie dann allein durch ihre eigene Trägheit immer die gleiche Position beibehält. Auch das halte ich nicht für praktikabel bei einem schaukelnden Boot.

Paul Lenz

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Paul Lenz

"Falk Willberg" schrieb:

[...]

Danke euch beiden für die interessanten Erläuterungen.

Ich denke, Beschleunigungssensoren kommen für mich nicht in Frage, weil sie auch jede Beschleunigung des Bootes aufnehmen.

Die Sache mit dem Erdmagnetfeld finde ich weitaus besser, zumal ich ja reichlich Platz habe und die Sensoren in großem Abstand zu jedem Magnetfelderzeuger installieren kann.

Die Frage ist nur: welche Sensoren arbeiten nach welchem Prinzip?

Paul Lenz

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Paul Lenz

Die Variante wurde schon bei Modellraketen verwendet. Genügend empfindliiche Sensoren gibts schon, billige Baugruppen aber wohl etwas seltener.

Die andere dort gängige Variante : "sun tracker". Da wird aber eventuell das Segel stören.

MfG JRD

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Rafael Deliano

Bei Rotationslasern wie sie in der Bauindustrie verwendet werden arbeiten manche Geräte mit 2 Schrittmotoren die über Gewinde lineare Bewegung ausführen. Als Sensor wird meist eine Libelle ( vgl. Wasserwaage ) verwendet die optisch abgetastet wird. In der Anwendung ist der Boden aber recht stabil. Deshalb kann man trotz Betrieb aus Akkus (stromfressende) Stepper verwenden weil die selten arbeiten müssen. Auch ist die Anforderungen an die Neigungssensoren hauptsächlich die präzise Ausregelung, nicht die Unterdrückung von Beschleunigung.

Vorteil der Stepper ist, daß sie recht kräftig sind und wahrscheinlich auch schnell genug Schwingungen von einigen Hz auszuregeln. Muß man natürlich Controller geeignet programmieren.

Eventuell hier möglich zwei optische Sensoren die per Teleskop auf den Übergang Wasser/Luft am Horizont sehen ( Nachteil: Spritzwasser auf der Linse ). Das gabs zur Lageorientierung von Satelliten ehedem schon, dort wurde auf die Kante Erde/Weltraum gepeilt ( spektakuläre Fehlschläge gabs da anfangs aber auch ). Nachteil auch hier daß man üppige Eigenentwicklung vor sich hat.

Der Vorteil des Gyro-Klimbims ( Modellhubschrauber u.ä. ) ist wohl daß man eher ICs oder Baugruppen erhält die einfacher zu verwenden sind.

MfG JRD

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Rafael Deliano

Paul Lenz schrieb:

Na, so stark wirst Du kaum beschleunigen oder Bremsen ;-)

Ich würde das Gravitationprinzip nutzen: Kamera kardanisch aufhängen, bsp. mit ein paar Leinen und ein möglichst großes Gewicht an einer möglichst langen Stange unterhalb der Kamera befestigen.

Ich behaupte, daß Du mit einer elektronischen Stabilisierung nicht weit kommen wirst. Bei dem Boot hast Du meistens Drehbewegungen um einen Punkt im Wasser. In einer Entfernung davon überwiegt dann die Beschleunigung an diesem Punkt.

Selbst wenn Du das alles richtig erfasst und berücksichtigst, hast Du noch eine nicht-triviale Regelung mit allen Häßlichkeiten, wie nicht-linearität, Vibration, verzögertes Ansprechen etc. Bei den so stabilisierten Bildern dürfte einem eher schlecht werden, als bei den nicht-stabilisierten...

Wenn Du eine Suchmaschine mit "ADXL330" und "HMC1043" fütterst, wird sie Dir Links zu den Herstellern auswerfen.

Falk

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"Ihr werdet euch noch wünschen wir wären politikverdrossen."
Max Winde (Twitter)
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Falk Willberg

Gut erkannt. Das ist der eigentliche Kniff bei der Steadycam!

Es ist zumindest wesentlich praktikabler als eine elektronische Lösung. Was da noch an Regelungstechnik auf dich zu kommt, zudem bei einem dynamischen System wie einem Boot, erfordert ein gerütteltes Maß an Erfahrung in diesem Bereich.

Hergen

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Hergen Lehmann

Genau.

Wenn Dein Lager wirklich gut ist, wird die Kamera nicht mitschaukeln. Aber vermutlich willst Du, daß die Kamera auch nach 10 min. immer noch waagerecht schaut. Dazu brauchst Du eine sanfte Kopplung an die Gravitationsrichtung. Montiere nach der Tarierung auf Gleichgewicht eine kleine Masse gleich unterhalb der Aufhängung. Die richtet die Kamera auf Dauer aus, hat aber zu wenig Drehmoment, um Nicken oder Rollen merklich auszulösen.

Nimm realistische Werte für die Dauer gleichgerichteter Beschleunigung. Z.B. von Null auf max. Geschwindigkeit in 10s oder 180° Kurve in 30s. (Keine Ahnung, was realistisch ist) Dann sie zu, daß das ausgelenkte Kamerapendel die doppelte Zeit braucht, um wieder lotrecht zu hängen. Vielleicht bekommst Du das auch schon mit den Tariergewichten hin.

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Gruß, Raimund
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Raimund Nisius

Ein "echtes" SteadyCam arbeitet mit einem Mix aus Gewicht, Trägheit, Austarieren, Gewichtskompensation durch Federspannung, Gyratoren und Elektronik. Diese Art des Kamerastativ wird allerdings vom Kameramann am Körper getragen und gestattet Aufnahmen auch in schnellem Lauf, die aussehen, als kämen sie von einem Fahrstativ. Sehr einducksvolle Beispiele zu sehen in "Das Boot". Die Kamera, die durch das U-Boot rennt, wird auf einem SteadyCam getragen.

Dennoch lässt sich mit vergleichsweise einfachen Mitteln eine abgespeckte Version herstellen, wie sie ja in vielen Bauanleitungen beschrieben werden. Das Geheimnis ist aber erst zu lösen durch sorgfältiges Abstimmen: Hohes Gesamtgewicht, sorgfältiges Austarieren und reibungsarme Lagerung reichen völlig aus, um die von dir befürchteten Nickbewegungen weitestgehend auszuschließen.

Der Kkameramann mit SteadyCam schaukelt auch, aber man sieht es nicht.

--
Rolf
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R.R.Kopp

Das ist unempfindlich gegen Drehbewegungen um die senkrechte Achse. Diese Bewegung bleibt also auch bei perfekter Regelung des sonstigen Schwankens übrig.

Wenn es denn unbedingt eine Sensor-Aktor-Regler-Lösung sein soll, würde ich die Kamera auf zwei Kippspiegel lenken. Damit werden die Drehmomente angenehm klein und mechanisch entkoppelt. Für die Kippung der Spiegel sollten sich Modellbau-Servos eignen.

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--
Kai-Martin Knaak
Öffentlicher PGP-Schlüssel:
http://pgp.mit.edu:11371/pks/lookup?op=get&search=0x6C0B9F53
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Kai-Martin Knaak

Hallo Paul,

Paul Lenz schrieb:

[...]

wie du an den bisherigen Antworten sicher gemerkt hast, haben die meisten hier offenbar noch nie einen Fuss auf ein Boot gesetzt ;-)

In verschiedenen Anmerkungen zu "steadycams" (z.B.

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kann man ja auch sehen, dass das schlicht und einfach mit vertretbarem Aufwand nicht so funktioniert, wie du es erwartest.

Ich glaube, dass du eine solche Lösung (mechanisch oder elektronisch) durchaus benutzen solltest, aber danach den Film noch automatisch nachbearbeiten musst. Solange der Horizont im Bild sichtbar ist, kann man ja einen Ausschnitt festlegen und das, was die mechanische oder elektronische Lösung nicht vermag, noch softwaremäßig korrigieren.

Gruß

Klaus

--
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Klaus P. Pieper

Nein. Der Kreisel erfasst nur die Drehbewegungen. Zum Ausgleich systematischer Fehler bietet es sich an, zwei Kreisel mit entgegengesetzt gerichteter Drehachse zu montieren und die Signale voneinander abzuziehen (analoger Subtrahierer), das bewirkt das selbe, wie symmetrische Signal=C3=BCbertragung.

Nimm doch einfach die nackten Sensoren. Gibt's spottbillig zu Kaufen:

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8230-ND

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Sparkfun bietet die Dinger auf auf Breakout-Board aufgel=C3=B6tet an. Ideal wenn man keinen Reflow-Ofen hat, indem man die Dinger selber verl=C3=B6ten kann.

Zur Stabilisierung der Kamera solltest Du das Ausgangssignal zeitlich integrieren und mit einem (PID-) Regler =C3=BCber einen Aktuator das integrierte Sensorsignal auf 0 halten. Am einfachsten macht man das, indem man einen Mikrocontroller daf=C3=BCr verwendet. Als Aktuator bietet sich ein einfaches Modellbau-Servo an, die lassen sich mit einem Mikrocontroller sehr einfach ansteuern.

Wolfgang

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Wolfgang Draxinger

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