Patenterfahrung, Schutz, Marginalpatente

Hallo,

inspiriert vom Thread "Nachtrag Ingenieurmangel" wo das Thema Patent auch mal Kurz erwähnt wurde mal einige Fragen.

Ich habe, verordneter weise, in der letzten Zeit einige Projekte mit einem Patentanwalt besprochen. Ich war sehr stark überrascht, wieviel den tatsächlich, lt. Patentanwalt Anmeldbar war, mit guten Chancen auch Akzeptiert zu werden.

z.B. gab es in einer Schaltung eine, aus meiner Sicht sehr simple Überwachungsfunktion, die letztendlich in einer Plausibilitätskontrolle eines AD wertes mündete. Ich bin überzeugt, das es ähnliche Varianten in dieversen Geräten auf der Welt gib, jetzt ist aber der Anwendungsbereich neu, und damit ist das wieder Patentierbar.

Wenn jemand das jetzt kopiert, hätte dann eine Klage gegen diesen Kopier überhaupt einen Chance? Gibt es hier konkrete Erfahrungen? Hat jemand mal gegen so ein "Marginalpatent" verstoßen, bzw. war auf der anderen Seite?

Wie ist eure Meinung zum Patentsystem?

Gruß Arne

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Arne
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Es gibt hauptsaechlich zwei Gruende die ein Patent abschmetterbar machen koennen und danach ist es "verbrannt": Prior Art, wenn also jemand findet dass es doch schonmal in diesem Anwendungsbereich vorkam (das wurde hier im juengsten Fall getan). Dann "Obviousness", also ein Argument vor Gericht wo man den Richter oder eine Jury davon ueberzeugt, dass das ein normal intelligenter Ingenieur von selbst auch so gemacht haette.

Aber ich kenne Euren Fall nicht.

Ich kann es nur fuer USA sagen, und da werdet Ihr ja dann sicher auch anmelden. Klassisches Beispiel bei einem Kunden Anfang des Jahres. Ein Patent Troll verklagte den Kunden weil eine relativ banale Schaltung "geschuetzt" sei. Ich hatte (nachdem ich den beim Blick in die Einzelheiten ausgeprusteten Kaffee wieder aufgewischt hatte) empfohlen das abzuschmettern und die Gueltigkeit des Patents anzufechten. Was sie denn auch taten, aber nicht nur wegen mir, das hatten sie ohnehin vor. Hat geklappt, aber da Anwaltskosten in USA nicht der verlierenden Partei auferlegt werden hatte das Gezetere den Gegenwert eines Luxusautos gekostet. Solches Geld fehlt dann fuer gescheite Projekte.

Ich bin nicht pauschal gegen Patente, wenn Du was wirklich bahnbrechendes erfunden hast sollst Du oder Dein Arbeitgeber auch was davon haben und es schuetzen. Doch man muss aufpassen dass man nicht jede Kleinigkeit anmeldet. Bringt ja nur was wenn man sich damit erfolgreich die Konkurrenz vom Laib haelt oder Lizenzgebuehren draus zieht.

Hint: Patentanwaelte arbeiten i.d.R. nach Stundensatz oder Volumen, jedenfalls hier. Man sollte auf jeden Fall einen voellig unbeteiligten und idealerweise nicht zum Betrieb gehoerenden Ingenieur drueberschauen lassen. D.h. einen weitgehend unparteiischen. Vorher natuerlich zur Verschwiegenheit vergattern und Emails verschluesseln. Hier hat man nach einem Leck noch Zeit, bei Euch u.U. nicht.

War nur mal so meine ganz persoenliche Meinung. Wie ueblich ohne Gewaehr :-)

--
Gruesse, Joerg

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Joerg

Arne schrieb:

Moin Arne!

Der Anwalt hat vermutlich einerseits ein anderes Bild von Patenten, als jemand, der nicht sein Geld damit verdient, andererseits wird er ein wirtschaftliches Interesse an der Mitarbeit bei der Patentierung haben.

Patentierbar ist vieles. Ob es auch Bestand hat und vor allem nützlich einsetzbar ist ist eine ganz andere Frage.

Wie groß ist der Kläger, wie groß ist der Beklagte? Jemand kleineres oder ähnlich großes kannst Du bestimmt mit einem Patent beeindrucken. Besonders auf Deinem Heimatmarkt (Import verhindern). Wenn derjenige allerdings deutlich größer ist, wird er juristische Geschütze aufbauen und bei Dir stöbern, ob Du nicht auch irgendwas seiner Patente verletzt.

Abgesehen von Spezialfällen würde ich die Finger von einem Patent lassen, hier einfach die von mir früher schon beschriebenen schmutzigen Veröffentlichungen durchführen, damit Dir niemand Deine Erfindung verbieten kann.

Wenn Du gute Entwicklungen und Erfindungen produzierst, warum solltest Du Deine Zeit mit Juristerei vergeuden, dann hättest Du Jurist werden sollen.

Ein Spezialfall könnte ein Markt sein, auf dem nur wenige, ähnlich große Mitspieler existieren und hohe Einstiegshürden bestehen (viel Entwicklung notwendig ist oder sehr feste Kundenbindungen/Vertriebswege existieren) und somit die Lage für eine Weile überschaubar ist. Hier kann ein Patent einen Entwicklungsvorsprung sichern. So ein Markt könnten z.B. die Antomobiel-Zuliefer sein. Oder in Groß: Airbus und Boing bei großen Flugzeugen. In Gedanken bin ich auch bei verschiedenen Nischen-Märkten, zu denen ich aber keine Beispiele geben kann, da ich in diesen teilweise tätig bin.

Viel kannst Du im Thread 'Gebrauchsmusterschutz - Hard & Software' aus dem Januar dieses Jahres lesen.

Ciao Dschen

--
Dschen Reinecke

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Dschen Reinecke

Joerg :

Wenn ein Konkurrent Dir das Leben schwer machen will, setzt er ne Patentklage gegen dich an und dann zählt jedes Argument. Wenn man da schon einen "Schein" hat, ist das ein Argument mehr (erstmal).... Grosse Firmen haben Patentabkommen - dürfen wechselseitig ihre Patente nutzen. Da geht es kaum um Details - manchmal nur um die Kilogramm, die man auf seiner Seite auf die Waage legen kann. So ein Patent wird auch gern genutzt, um auf Messen die Stände der Konkurrenz leer zu räumen - bei einstweiligen Verfügungen schaut sich kaum ein Richter an, ob das Patent auch nicht dem Stand der Technik entspricht (davon vesteht er ja eh nix). Ist ein fieses Geschäft.

M.

--
Lena! Lena! :-)
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Matthias Weingart

Dschen Reinecke schrieb:

[...]

hast Du dazu neben dem Thread vom Januar noch Vorschläge?

Servus

Oliver

--
Oliver Betz, Munich
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Oliver Betz

Hallo Dschen,

Mal angenommen, du hast eine gute patentfähige Idee, aber du willst diese Idee nicht selber bis zur Marktreife entwickeln, weil du weisst dass das für dich eine Nummer zu gross wäre. Du gehst aber davon aus, dass eine oder mehrere Firmen wahrscheinlich Interesse an der Idee haben werden. Wie sollte man in diesem Fall vorgehen? Wenn man zuviel verrät, wird die Firma selber ein Patent anmelden, und man steht dumm da. Wenn man zu wenig verrät, wird die Firma nicht verstehen worum es geht, und kein Interesse zeigen. Siehst du in diesem Fall eine Alternative zur Patentanmeldung?

Gruss Michael

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Michael Koch

Michael Koch :

Oft geht es weder mit noch ohne Patent. Z.B. der Erfinder des einarmigen Scheibenwischers lief sich 20 Jahre lang die Hacken ab. Kein Autohersteller wollte einen einarmigen Scheibenwischer. Nach Ablauf des Patents baute Benz die Scheibenwischer ein. Problem ist einfach die Profitmaximierung ... Patentgebühren sparen ...

M.

--
Lena! Lena! :-)
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Matthias Weingart

So war das auch in einem aktuellen Fall bei einem Kunden. Erstmal Schuss vor den Bug, einiges kam zum Stehen, und dann flogen die Faeuste. Der Patent Troll verlor dabei.

Das ist ein fieses Geschaeft. Allerdings kann man bei allzu fadenscheiniger Rechtslage (hier) hinterher den Spiess rumdrehen, auf Schadenersatz wegen Rechtsuebergriff klagen und danach die Insel und den passenden Privatjet kaufen :-)

[...]

Lena! Lena! :-)

Die stand sogar hier in der Zeitung :-)

--
Gruesse, Joerg

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Joerg

Oliver Betz schrieb:

Moin Oliver!

Nein, leider nicht. Ich habe tatsächlich noch keinen echten Rechtsstreit um Patente direkt erlebt.

Aber bei einem Kunden habe ich gesehen, daß er mir erfreut ein Datenblatt gezeigt hat, wo er sein gerade erteiltes Patent als Rand-Einsatzzweck abgebildet gesehen hat. Ich habe ihm dann viel Glück gewünscht, daß wenn es darauf ankommt niemand die Veröffentlichung im Datenblatt entdeckt...

Ciao Dschen

--
Dschen Reinecke

=== der mit dem Namen aus China ===

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Dschen Reinecke

Michael Koch schrieb:

Moin Michael!

Wie Matthias schon schrieb: Beides blöd. Patent wird im Zweifelsfall ignoriert/abgewandelt, unpatentiert geklaut.

Ich würde eine nicht auf mich zurückzuführende schmutzige Veröffentlichung wählen und Details nur gegen relativ wasserdichte Vertrags-Regelung aushändigen. Wobei auch das recht dünnes Eis ist: Wenn die Firma dann die Idee klaut und sagt, daß sie so etwas schon selber entwickelt hat, hast Du auch einen ekligen Rechtsstreit am Bein. Wenigstens hast Du dann nicht auch noch vorher Geld für ein Patent bezahlt.

Ciao Dschen

--
Dschen Reinecke

=== der mit dem Namen aus China ===

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Dschen Reinecke

"Matthias Weingart" schrieb im Newsbeitrag news: snipped-for-privacy@penthouse.boerde.de...

Oder daß erst dann die Scheibengeometrie passte, man hat ja vorher nicht ohne Grubd 2 eingebaut,auf die Idee, zur Kostensparung nur einen zu nehmen, ist man vorher auch gekommen, so blöd war man nun auch nicht.

Obwohl der Mercedes-Scheibenwischer noch mit einem Mechanismus in die Ecken vorstösst, vermutlich war das das Patent des Herren. Obwohl es da auch verschiedene Techniken gibt (Hydraulik, Elektro, Getriebe - in jeder Form der Mechanik) und man einfach die andere hätte nehmen können.

--
Manfred Winterhoff, reply-to invalid, use mawin at gmx dot net
homepage: http://freenet-homepage.de/mawin/
de.sci.electronics FAQ: http://dse-faq.elektronik-kompendium.de/
Read 'Art of Electronics' Horowitz/Hill before you ask.
Lese 'Hohe Schule der Elektronik 1+2' bevor du fragst.
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MaWin

Hallo Dschen,

Warum soll nicht erkennbar sein, dass die Veröffentlichung von dir ist?

Gruss Michael

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Michael Koch

Michael Koch schrieb:

t?

Damit der eigene Wettbewerb (der sicher nach Namen sucht) nicht sofort Wind davon bekommt, sondern das erst zu passender Gelegenheit (m=F6glichs= t sp=E4t und nur zur eigenen Verteidigung) unter die Nase gerieben bekommen=

kann?

Tilmann

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Tilmann Reh
*MaWin* wrote on Mon, 10-06-21 00:06:

Das muß meines Erachtens falsch sein. Reicht nicht die Dokumentation einer ausgeführten Umsetzung um ein später eingereichtes Patent ungültig zu machen?

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Axel Berger
  • Matthias Weingart :

Citroën CX, 1974?

Im deutschen Automobilbau gibt es eine extrem starke "not invented here"-Mentalitöt.

Nach meinem Gefühl fehlt, wenn es zweiarmige gibt, bei der "Erfindung" des einarmigen Scheibenwischers die Erfindungshöhe für ein Patent, aber IANAPatentL.

Meine BMW K100 RS von 1983 hatte Blinker, die im Rückspiegelgehäuse eingebaut waren. Weiss nicht, ob die das patentiert hatten, aber BMW hat's nirgendwo sonst angewendet und 20 Jahre lang hat das keiner kopiert. Jetzt habens plötzlich alle.

- Andi

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Andreas Karrer

Tilmann Reh schrieb:

Moin Tilmann!

Jupp, oder vor allem die Firmen, denen ich nur Details gegen entsprechende vertragliche Vereinbarung aushändigen will.

Ciao Dschen

--
Dschen Reinecke

=== der mit dem Namen aus China ===

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Dschen Reinecke

Andreas Karrer :

Und nicht nur da. Es war wohl wirklich so, dass sich die Ingenieure auf den Schlips getreten fühlten (kann ja wohl nicht sein, dass das uns nicht eingefallen ist) und es auch deshalb nichts wurde. Auch hierzulande gibt es sowas wie "Gesicht verlieren". Das Interview mit dem Erfinder war da recht interessant. Vermutlich waren dann nach 20 Jahren auch die alten Ingenieure dort weg. ;-).

So nun hab ich doch mal gegoogelt, man soll nicht immer glauben, was einem Erfinder so erzählen:

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Benz hatte den schon 1972 patentiert und der "glücklose Erfinder" erst 1975; vermutlich hat er deshalb sein Patent dann auch nach 5 Jahren aufgegeben...

Oh nee, das war schon echt patentwürdig, denn der Knackpunkt war ja, das er auch in den Ecken wischte (nicht einfach nur links/rechts :-); es gab nur schon ein anderes sehr ähnliches... M.

--
Lena! Lena! :-)
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Matthias Weingart

Moin zusammen!

Es gibt sicherlich viel zu viele Trivialpatente. Manchmal werden aber auch bahnbrechende Erfindungen nicht patentiert:

"Für das Deutsche Museum in München fertigte Zuse allerdings noch einen Nachbau seiner legendären Z3 an, denn das Museum hatte bereits früh die Bedeutung dieser Erfindung erkannt. Ganz im Gegensatz zum Deutschen Patentamt: Das beschied dem Erfinder noch 1967, man könne dieses Ding namens Computer keinesfalls patentrechtlich anerkennen, denn es fehle schlicht "die Erfindungshöhe"."

Quelle: Focus

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Gruß Thorsten

--
PGP welcome!
Thorsten online: http://www.ostermann-net.de/electronic
Rund um Schrittmotor, Fräs-Bohr-Plotter & Mikrocontroller
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Thorsten Ostermann

Wenn nur vorhandene Komponenten in vorgesehener Weise besser als vorher kombiniert werden, ist auch keine "Erfindungshöhe" als solche da. Es gibt einen Unterschied zwischen "in einem Gebiet besser sein als die Konkurrenz" und "etwas erfinden".

Apple beispielsweise profiliert sich momentan hauptsächlich mit Produkten, die sich nicht maßgeblich durch patentierbare Details auszeichnen, sondern über das mit eigentlich etablierten Details erzielte Gesamtbild.

--
David Kastrup
Reply to
David Kastrup

Das Patentamt verdient an Gebühren. Die Hürden liegen also niedrig.

Die mechanische Rechenmaschine wird Zuse mit der Z1 nicht erfunden haben. Derartige Maschinen die Relais für Teilfunktionen benutzten gabs auch schon als er die Z3 baute:

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Z3 wäre vielleicht schon patentierbar gewesen, aber eben nur in enger Grenze die alternative derartige Rechner durch andere Hersteller nicht unterbunden hätte. Zuse ist nicht am Patentamt sondern am Umfang seiner Patentformulierung gescheitert.

MfG JRD

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Rafael Deliano

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