Colpitts-Oszillator dimensionieren

Hallo,

erstmal Entschuldigung für die folgenden etwas trockenen und langen Zeilen, aber es geht einfach nicht unterhaltsam(er) und vielleicht auch nicht kürzer, also:

Ich versuche zur Zeit die Dimensionierung des Colpitts-Oszillators besser zu verstehen. Der Aufbau sei mit Transistor T1 in Basisschaltung, zwischen Kollektor C(T1) und V++ (9V) liegt C1 || L1 (C1 abstimmbar, tut aber erstmal nichts zur Sache).

Zwischen C(T1) und E(T1) liegt C2 und zwischen E(T1) und GND liegt C3 || R1. Die Basisvorspannung ist als etwa 1/3 V++ gewählt.

L1 und C1 sind bekannt, es bleiben R1, C2, C3 zu bestimmen.

Es zeigt sich, daß es günstig ist R1 groß zu wählen (so Meinke/Gundlach und TS sieht sogar eine Konstantstromquelle vor, was ich teilweise in der Simulation auch gemacht habe. Es hat sich dann aber herausgestellt, daß ein großer Widerstand (~6k bis ~9K, bei V++=9V) sogar einen steileren und "glatteren" Peak in der FFT Ansicht von VC(T1) produziert.

Also letztlich bleibt die Frage, wie C2/C3 wählen. (min(C2,C3) sollte nahe bei dem kleinsten Wert von C1 sein um den Abstimmbereich nicht zu beschneiden). Früher habe ich hier immer wie ein Verrückter probiert, aber jetzt endlich doch mal im TS nachgelesen (p. 1512ff). Danach sollte man C3 gößer als C2 wählen, Praktiker sagen wohl C3 = 4 C2, bei mir hat auch C3 = 13 C2 mit C1=C2 = 1p sehr gut funktioniert (T1=BFP405)

Eine Eigenschaft dieser Wahl ist, daß I(C:T1) sinusförmig wird und um

90° versetzt zu V(C:T1) steht. Die gute Sinusform führt dann auch zu einem niedrigen harmonischen Gehalt und auch einem steilen Peak in der FFT. *Aber* (und jetzt beginnen die Probleme): Nach Lee und Hajimiri sollte man ja eher I(C:T1) als Folge von delta-Impulsen bei den unteren Durchgängen von V(C:T1) liefern.

Ich erinnerte mich, daß bei mir noch ein Teil eines Papers ausgedruckt herumlag, daß zu diesem Thema genaue Überlegungen, Dimensionierungsrechungen und Grafiken enthielt. Speziell die sehr pulsartigen Kollektorströme waren dort immer aufgeführt. Ich recherchierte zurück und fand heraus, daß es sich um einen Auszug aus dem Buch "The design of modern microwave oscillators for wireless applications" von U. Rohde et. al. handelte. Dieser Auszug, war wohl auch mal Teil einer Doktorarbeit in Berlin und als solchen hatte ich ihn mir wohl heruntergeladen. Nach einigem Suchen habe ich unter .ru das Buch dann auch zum Herunterladen gefunden und darin herumgelesen.

Mein Problem ist hier nämlich das Kapitel 6, wo durch Großsignalanalyse ein Ausdruck zur Bestimmung von C2/C3 (heißen dort C1 und C2) hergeleitet wird, der von einem sogenannten "drive level" (Weite der Emitterspannungsschwankung normalisiert auf Temperaturspannung UT=kT/q). Konkret die Gleichung (6-148)

mit q=C1/C2 lautet sie

(*) x=gm (2I_1(x)/I_0(x)) RP/(q(1+1/q))^2

Dabei ist gm = Idc/UT der Emitterruhestrom durch die Temperaturspannung, (ich habe immer Idc = 1e-3, UT=26e-3 verwendet). RP (=40k bei mir) ist der Parallelwiderstand zu (L1 || C1) im (Tank-)Schwingkreis.

I_0(x) und I_1(x) sind die Besselfunktionen I(n,x) für n=0,1

Setzt man nun realistische Werte x=5..15 in (*) ein, so kommen absolute Mondwerte für q heraus. Leider führte meine ganze Detektivarbeit nicht zum Aufspüren des Fehlers, lediglich einen Vorzeichenfehler beim Übergang von (6-137) nach (6-138) für Y21 konnte ich noch ausmachen. Danach verliert sich rückwärtssuchend alles doch im Nebel meiner leider nur bruchstückhaften Elektrotechnikkenntnisse.

Witzigerweise ist mir dann durch probieren und überlegen klar geworden, daß eine gute Wahl im Sinne von U.Rohde wirklich C2 größer C3 (so auch Rohde), nämlich C2 = 2..8 * C3 ist (so bei mir im obigen Beispiel). Mit wachsendem C2/C3 wird tatsächlich die Anregung immer impulsartiger. Allerdings entstehen auch langwellige Amplitudenschwankungen im Kollektorstrom, die die FFT möglicherweise etwas verderben (Spitzen brechen ab).

Damit will ich erstmal schließen (Oszillatoren sind wohl wirklich mein Hobby), vielleicht hat ja jemand Lust einen Blick in das Buch von U.Rohde zu werfen und meinen Fehler aufzuklären (oder sonst eine Idee beizutragen).

Viele Grüße

Jürgen

-- Jürgen Böhm

75015 Bretten
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Jürgen Böhm
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Ich habe die beiden Bücher, aber bisher nicht den Antrieb, mich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Sind auch praktischerweise

300 Km weit weg. Sie sind mir irgendwie zu abstrakt. Ich mag den Ansatz nicht so sehr "Ich beweise das mal eben über 10 Seiten und glaube dann ganz fest dran".

Das Buch von Randall W. Rhea (1) ist mir da lieber; er stellt's so da, dass ich es auch mit dem Bauch verstehen kann, ohne dass er dabei ungenau wird.

Dazu kommt, dass Rohde & Hajamiri sich zumindest zur Zeit eher für Breitband-VCOs interessieren und ich nur für Quarz / SAW / Cs und Maser; lieber nur eine Frequenz und die aber richtig ;-) Breitband-VCOs sind halt überall gleich schlecht, man bekommt niemals alles.

Der große Markt ist natürlich eher Breitband, für mich reicht aber eine kleine Lücke :-)

Sorry, dass ich Dein Thema nicht wirklich aufgreife, es ist schon viel zu spät.

Gruß, Gerhard

(der gestern und vorgestern an Bretten vorbeigebrettert ist...)

(1)

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Gerhard Hoffmann

Muß mir noch mal selbst antworten und mein Posting korrigieren:

Die Formel nach dem erwähnten Buch lautet

(*) x = gm (2 I_1(x) / I_0(x) ) RP/(q (1+1/q)^2)

(das Quadrat geht nicht über den ganzen Nenner). x ist der oben erwähnte "drive level". Ich habe aber für meine Rechnungen schon die korrekte Form aus dem Buch benutzt, daran lag es also nicht.

Viele Grüße

Jürgen

-- Jürgen Böhm

75015 Bretten
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Jürgen Böhm

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