Röhrenradio restaurieren

Hallo!

Ich habe vor einigen Jahren ein Braun Röhrenradio von meinem Opa geschenkt bekommen. Er hat es mir damals noch vorgeführt, es war funktionstüchtig, allerdings war die maximale Lautstärke nicht sonderlich groß.

Ich möchte es nun in einen akzeptablen Zustand bringen. Erstes Problem: es ist innen total verstaubt, der Staub scheint ein bischen klebrig zu sein. Wie bekommt man das am besten sauber, ohne die Röhren etc zu zerstören?

Wie geht man am besten vor um die Funtkionsweise zu überprüfen (Schaltplan mit einigen Spannungsangaben an manchen Punkten liegt vor), ohne die dicken Kondensatoren und die Röhren evtl durchs Spannung anlegen zu zerstören?

Ich bin leider nicht mehr mit Röhren aufgewachsen, von daher habe ich leider keine Ahnung, wie man diese am Besten behandelt.

Freue mich auf Eure Tips!

Stefan

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Stefan Nowy
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Stefan Nowy schrieb:

Am besten nimmt man die Röhren vor der Reinigung heraus. Die ganz alten (Vorkriegsmodelle) haben einen Bakelitsockel, die darf man nicht am Glas ziehen. Die neueren mit Pressglasfuss kann man am Glas ziehen.

Achtung: Die weisse Beschriftung der Röhren hält nicht gut. Die Röhren kann man mit einem feuchten Taschentuch reinigen. Im Bereich der Schrift keine Lösungsmittel verwenden.

Die Kontakte der Röhren können mit Wattestäbchen und Sigolin gereinigt werden. Rückstände des Reinigungsmittels auf jeden Fall entfernen.

Die Elkos sollte man nach langem Stillstand erst langsam wieder aufladen. Das kann man mit einem Vorwiderstand (z.B. Glühbrine) oder mit einer einstellbaren externen Spannungsquelle.

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Stefan

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Stefan Heimers

Stefan Nowy schrieb:

Rückwand entfernen, alle Röhren raus, Lautsprecher abklemmen. Vorne alle Knöpfe abschrauben (kann man auch gleich reinigen). Dann das Gehäuse auf eine Seite kippen, an der Unterseite sind 4 Schrauben, die das Chassis halten, diese lösen. Dabei das Chassis festhalten, daß es nicht rauspurzelt. Wenn alle Schrauben gelöst sind, das Gehäuse wieder aufrecht hinstellen, Chassis nach hinten rausziehen. Das kann man nun gründlich mit Druckluft (aus dem Kompressor, nicht der Murks aus der Dose) abblasen, natürlich nicht zu nah rangehen, damit nichts zerstört wird. Genauso geht man innen mit dem Gehäuse um.

Ist der Bespannstoff schmutzig, muß man vorsichtig sein, wenn der nass wird, wird er schlabbrig oder zerfällt in seine Bestandteile. Man kann den Lautsprecher ausbauen und von innen vorsichtig mit Druckluft den gröbsten Staub aus der Schallöffnung blasen. Muß gründlich gereinigt werden, schwören manche Restaurierer auf Teppichschaum und eine weiche Bürste, habe ich aber noch nicht ausprobiert.

Zum Schluß baut man alles wieder provisorisch zusammen, die Chassisschrauben läßt man beim ersten Funktionstest erstmal weg, dann braucht man sie nicht nochmal rausdrehen, wenn noch was am Chassis repariert werden muß.

Der Tip wurde schon gegeben: Eine 100W Glühlampe in Reihe zum Radio an das Netz schalten. Die begrenzt den Anlaufstrom und gibt den Elkos Zeit, sich langsam aufzuladen. Die Lampe leuchtet direkt nach dem Einschalten hell auf (Heizung und Elkos) und wird dann rasch dunkler. Leuchtet sie dagegen auch nach 1-2 Minuten permanent hell, ist etwas defekt.

Bei der ersten Fehlersuche am Netzteil ist Vorsicht angeraten, die Anodenspannung liegt bei 250 - 280V und beißt auch noch einige Zeit nach Abschalten, weil die Elkos sich nur langsam entladen.

Relativ schnell zu finden sind Fehler im Netzteil. Zuerstmal den Trafo vom Gleichrichter abklemmen und nochmal einschalten. Wenn die 100W Lampe nun nicht mehr dauernd leuchtet, Glück gehabt, der Trafo ist noch OK.

Die Netzteile sind sich immer ziemlich ähnlich: Die Anodenwicklung geht zunächst auf den Gleichrichter. Die Gleichspannungsseite des Gleichrichters liegt am Pluspol Siebelko, der Pluspol geht über eine Drossel oder einen 2W Widerstand zum Pluspol Ladeelko, die Minuspole beider Elkos liegen an Masse (über den Metallbecher). Häufig sind beide Elkos in einem großen Bechergehäuse kombiniert.

Zum weiteren Test mit der 100W Lampe trennt man die Leitung, die vom Pluspol des Ladeelkos zum Ausgangsübertrager geht, vorübergehend ab. Neuer Test mit der 100W Lampe, wenn sie nicht mehr andauernd hell leuchtet, ist das Netzteil soweit OK.

Ein Fehler liegt jetzt in der restlichen Schaltung und nun wird die Suche individuell. Verdächtige Kandidaten sind weitere Elkos oder die Papierkondensatoren, besonders die Sorte, die mit schwarzem Teer vergossen sind.

Falls irgendwann alles spielt, aber der Klang nicht so doll ist: Schau nach dem Elko an der Kathode der Endröhre, wenn er austrocknet und Kapazität verliert, verschwinden die Bässe und alles klingt wie durchs Telefon.

Ciao...Bert

--

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Bert Braun, DD5XL

neue 200 V Elkos besorgen und die Koppelkondensatoren von der Anode zum Gitter der nächsten Stufe alle erneuern.

Richtige Restauratoren tun die Kondensatoren aushöhlen, die schwarze Vergußmasse (so vorhanden) schön sammeln, den neuen Kondensator in das Gehäuse des alten einbauen und vergießen. Die neuen glänzenden Drähte und Lötstellen mit etwas Graphitpulver alt machen. Sauber arbeiten, Graphit leitet. Den Bespannungsstoff vom Lautsprecher ja nicht waschen, denn da hat noch der Adolf durchgebellt und der Goebbels gesäuselt. Seilzüge mit Angelschnur oder Gitarresaiten neu machen.

w.

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Helmut Wabnig

Ich erweitere mal diese Warnung: Weisse Beschriftung geht leider oft schon mit Wasser ab. Also zur Sicherheit abschreiben und dann Roehre wieder markieren. Sonst weiss man u.U. nicht mehr welche wo rein kam.

[...]
--
Gruesse, Joerg

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Joerg

Hallo!

Danke für die Links! Scheinbar hat jeder sein eigenes Rezept die Elkos zu formatieren, mal schaun zu welcher Methode ich tendiere.

Viele Grüße Stefan

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Stefan Nowy

Danke für den Tip!

Nein, ganz so alt ist das Radio nicht ;-) Wenn ich richtig recherchiert habe, dann dürfte es von 1957 sein

Viele Grüße Stefan

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Stefan Nowy
[viel nützliches!]

Danke für die ausführlichen Tips!

Stefan

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Stefan Nowy

Fotos machen. Ggf auch Skizze, darauf alles Wesentliche (nachher ist immer mehr wesentlich als vorher :-)) aufzeichnen und kommentieren.

Muß leider oft gemacht werden, da man sonst das Chassis nicht rauskriegt. Ggf Adern kennzeichnen, notieren, welche wo saß. Auch das "magische Auge (oder Band)" muß oft mit raus.

Ich ziehe da einen weichen Pinsel mit langen Borsten und den Staubsauger vor. Schön in der Sonne auf der Terasse zu machen.

Es ist erstaunlich, wieviele Arten von Schmutz es gibt - trockenen, feuchten, fettigen, schlammig-trockenen (bei eB*y vermutlich als Flutopfer verscherbelt :-), ... Gegen klebrigen Schmutz diese Watte-Ohr-Säuberer mit etwas Kontaktspray angefeuchtet oder Holzstab mit stoffumwickelter Spitze.

Kritisch ist immer die Skala. Manche Skalen sehen super aus, aber wehe, wenn Wasser dran kommt. Dann zerbröselt der Aufdruck. Mist ist auch, wenn schon wer Klebestreifen draufgepappt hat - der Kleber hat in der Regel die Bedruckung angegriffen. Auch blöde ist Gummi, das sich mit der Bedruckung legiert hat.

Erstmal prüfen. ob die Sicherung ok ist. Wenn nicht, Spannung anlegen erstmal vergessen und Fehler suchen. Wenn die Sicherung ok ist, mit dem Ohmmeter mal schauen, was passiert, wenn angeschaltet wird. Wenn das plausibel ist ..

Das habe ich noch nie gemacht, ohne negative Folgen zu bemerken. Vielleicht hatte ich das Glück, daß alle meine Elkos eingetrocknet waren, glaube ich aber nicht :-).

Es gab damals aber auch Geräte für Gleichspannung - da liegt ein Pol der Netzleitung am Chassis: Vorsicht damit. Braucht Umsicht und einen Spannungsprüfer, oder besser einen Trenntrafo. Dann gab es auch Geräte mit Spartrafo. Da gilt das Gleiche.

Ich hatte mal einen, da erzeugten die Papierkondensatoren im NF-Vorverstärker ihre eigenen Geräusche :-).

Grüße, H.

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Heinz Schmitz

Diese, sowie die an den Schirmgittern und die über den Kathodenwiderständen, sind aber oft auch Folienkondensatoren. Ich nehme für den Ersatz gerne gleich ein oder zwei Nummern spannungsfestere. Wobei die garnicht so leicht zu bekommen sind und man öfter als einem lieb ist radiale zurechtfrickeln muß.

In dem bekannten Online-Auktionshaus gibt es jemanden, der "so gelbe" in axialer Bauform anbietet. Im Zehnerpack spart Porto :-).

Nu ausgerechnet durch den von diesem "Braun" wohl nich :-):-).

Die Bespannungsstoffe sind aber wirklich ein Problem, weil es kaum Ersatz gibt. Man läßt da also wohl lieber die Finger von oder probiert erstmal an einem ähnlichen Schrott-Teil.

Wenn man da rangeht, sollte man sehr genau dokumentieren, damit das nachher wieder so gut läuft wie vorher (Länge, Seilführung und End-Ösen). Wenn da was kaputt ist, liegt es oft an der Schwergängigkeit der zu bewegenden Abstimm"organe". Diese erst gängig machen, dann ist der Rest ggf schon wieder ok.

Grüße, H.

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Heinz Schmitz

Wenn man Elkos *formatiert* [1] bitte nur mit einer Open-Source-Lösung! Ich empfehle z.B.

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.. hat den Vorteil, daß sich die Kapazität dem Bedarf dynamisch anpasst.

S,cnr,

Muck

[1] ... scheint langsam zum "Standart" zu werden
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Muck Krieger

Stefan Heimers schrieb:

Au weia. Und welche Datendichte? Mit AC kann man eventuell doppelseitig Neuformatieren.

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mfg Rolf Bombach
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Rolf_Bombach

Bert Braun, DD5XL schrieb:

....

Falls irgendwann alles spielt, aber der Klang nicht so doll ist: Schau

Beim angesprochenen Radio stimm ich zu. Bei "alten" Röhrenradios kann das anders aussehen. Da gibt es keine Elkos ;-). Dafür Drosseln im Netzteil, manchmal muss auch der Elektromagnet des Lautsprechers dafür herhalten. Brummkompensationsschaltungen können auch zur Verwirrung beitragen. Und die Anodenspannung kann manchmal massiv über den angesprochenen 200V liegen.

Mein Vater wurde wegen der Verwendung von 2x16 oder gar 2x32uF Siebung im NT für verrückt gehalten. Andere Bastler schafften später mit 2xEL12 oder dergleichen 35W Ausgangsleistung, was noch mehr auf totales Unverständnis stiess, da "es so starke Lautsprecher gar nicht gibt". (Vorher mit AD1 die Hälfte oder so, hab die Sammlung an Anekdoten vergessen).

--
mfg Rolf Bombach
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Rolf_Bombach

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