So ganz nicht: Derzeit sehen die Steigerungsraten für Investments in Europa etwas anders aus als die bei Euch, nämlich besser ;-)
Die Rechtssicherheit ist ein _ganz_ entscheidender Faktor. Was soll das, wenn man mit viel Mühe ein Produkt entwickelt und dann kommt entweder ein Winkeladvokat, der aus irgendeinem faulen Patent per "wir interpretieren das jetzt aber so" und Theater vor der Jury den Gewinn absaugt oder umgekehrt macht man Verträge, bei denen irgendwelche Konzerne glauben, dass sie sich einen Dreck drum scheren können, weil sie die Anwaltskosten so ohne Ende hochtreiben, dass es keiner mehr bezahlen kann, und am Ende nix bei rauskommt, weil nicht das Recht zählt, sondern die beste Theatervorstellung vor der Jury.
Sie ändern zumindest nicht wesentlich rückwirkend. Die alte 10e Abschreibung nutzen immer noch diverse Häuslesbauer. Und auch die Abgeltungssteuer gilt nur für _neue_ Aktienkäufe.
Die mögen ärgerlich sein, sind aber für große Investments kein Kriterium.
Dagegen zählt z.B. die Infrastruktur mehr, ein Stromausfall weniger, einmal die Produktion nicht geschrottet, und schon sind die ganzen Kosten wieder drin.
Glaub' mir, wenn ich die Wahl zwischen dem US Rechtssystem und dem WEEE als Übel hätte, ich täte das WEEE nehmen, auch wenn ich einiges über Fa. EAR ablassen könnte. Das kostet beim 08-15 Mittelstandsfertiger zwar dreistellig pro Jahr, bestenfalls vierstellig, aber für das Geld nimmt bei Euch der Anwalt noch nicht mal den Telefonhörer ab.
Mal ganz offen und ehrlich, Du weißt, ich nehme kein Blatt vor den Mund:
Ich kaufe gerne US IC's. Man muss nicht alles selber machen, es gibt eine arbeitsteilige Gesellschaft.
Aber: Ihr solltet etwas aufpassen, dass Ihr Euch nicht überall in der Welt unbeliebt macht. Z.B. mit obskuren NDA-für-jede-Shice-Regelungen, "wir liefern dafür nicht" Bockigkeiten und ähnlichem. Kein Hersteller ist unersetzlich und auch kein Land.
Und diese sehr speziellen "wir scheren uns einen Dreck um das Recht, weil wir genau wissen, dass unser System marode ist" Praktiken einiger Leute bei Euch, die dann leider das Bild vom ganzen Land mit prägen und damit auch den vielen seriösen Firmen bei Euch schaden, gehen _weltweit_ langsam einigen Leuten so auf den Senkel, dass sie sich überlegen, wie man einfach künftig diese Probleme vermeidet. Z.B. in dem man bestimmte Geschäfte vermeidet.
Nur mal so: Mit verbrieften US-Hypotheken und Swaps braucht nach dem Drama bei gewissen Fonds - die KfW durfte gerade
8 Mrd. Euro dafür bereitstellen - keiner mehr anzukommen, und die Hedge-Fonds-Übernahmen sind in den letzten Wochen spontan extrem zurückgegangen, weil keiner mehr den Leuten traut, die Beleihung aufgekaufter Firmen funktioniert nicht mehr. Da haben sich inzwischen - wegen genau solchen "wir haben das zwar verbrieft, aber wir scheren uns einen Teufel darum, zur Not Chapter 11" binnen kurzer Zeit soviele Leute mit Geschäften mit Euren Finanzfirmen die Finger verbrannt, dass die einfach keinen Bock mehr darauf haben. Und in Nah- wie Fernost sind sie gerade dabei, die Bezahlung von "Made in China" bis hin zu Öl von US-Dollar auf Euro umzustellen, zwar nicht knallfall, weil sie selber zu viele Dollarreserven haben, aber langsam und sicher.Und das _ist_ ein Thema, kurzfristig kann man zwar so mehr über eine billige Währung absetzen, mittelfristig haut die kräftig ein Loch ins Budget, vorallem wenn in bestimmten Bereichen plötzlich Fremdwährung (Euro) angesagt ist.
Da muss dann Export her, da ist Kampf um jedes Design In von jedem noch so simplen Bauteil angesagt, einfach weil Elektronik einer der Bereiche ist, in dem der US Export noch stark ist. Mit Bud Wasserbier und Cheavys braucht ihr nicht versuchen zu punkten ;-)
Nein, aber wir haben hier eine Demokratie und kein Land, in dem irgendwelche Großkonzerne mit einer Spende alles regeln können. Es gibt auch bei uns Lobbyisten, viel zu viele, aber es gibt auch Grenzen.
Trotzdem, da gebe ich Dir recht, könnte hierzulande die Politik auch mit dem Mittelstand mehr reden, das fehlt etwas.
Die gucken vorallem erstmal auf den Quartalsgewinn, dann nochmal auf den Quartalsgewinn und dann eben so auf den Quartalsgewinn. Dann rennen sie wie die Lemminge in das Land, wo sie glauben, dass alles gaaaaanz billig ist.
Und nachdem einige Leute da kräftig auf die Nase gefallen sind, fließt gerade ohne Ende Produktion wieder nach Europa zurück.
Davon könnt Ihr auch profitieren: Elektronische Komponenten liefern. Gute Qualität, schnell, zuverlässig, ohne "kurze 22 Wochen Lieferzeit bei 5000 Stück Mindestabnahme", ohne Extreme-NDA, mit gutem Support, ohne Starallüren und "wir sind alleine"-Diva-Zicken. Letzteres führt nur dazu, dass von genervten "da muss ein Markt sein, wenn die sich so aufführen können" Leuten redundante Fabriken für Opamps bis Embedded-CPU's gebaut werden und anschließend die Preise auf dem Weltmarkt in den Keller purzeln.
Gruß Oliver