Nachtrag Ingenieurmangel

Moin Jörg,

Am 30.06.2010 02:22, schrieb Joerg:

Etablierung heisst nicht, dass die Tafeln Schuld an der Lohnentwicklung sind, so wie Du es interpretierst. Die Tafeln und Suppenküchen sind nicht Ursache (Schuld), sie unterstützen und verfestigen aber diese Tendenz in mehrerer Hinsicht (aus deren Sicht vermutlich sogar ungewollt und unabsichtlich):

  1. Sie nehmen dem Staat eine Aufgabe ab, nämlich dafür zu sorgen, dass niemand (ver)hungern muss. Somit hat der Staat bzw. die Regierung keinen Druck, darüber nachzudenken, was sich strukturell ändern müsste, damit solche Suppenküchen und Tafeln erst gar nicht notwendig sind.
  2. Sie schaffen zwar eine Anlaufstelle für hungrige Menschen, stigmatisieren und beschämen diese aber auch gleichzeitig. Das führt dazu, dass Menschen lieber einen völlig unterbezahlten Job annehmen, als dort um Nahrung anzufragen, ja zu betteln (so wird es jedenfalls von vielen empfunden). Es sind ausserdem nicht nur Erwerbslose, sondern oft auch alte Menschen, die ihr Leben lang für wenig Geld gearbeitet haben und nun mit der kärglichen Rente vorn und hinten nicht auskommen.
  3. Für die, die aufgegeben haben, einen Job zu suchen, weil man ihnen oft genug zu verstehen gegeben hat, dass sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr erwünscht sind oder aufgrund ihrer Qualifikation zu teuer sind, stellen sie sozusagen den letzten Strohhalm dar, an dem sie sich festklammern und endgültig ihrem Schicksal ergeben und sich mangels anderer Perspektive einer Art Dauerversorgung anschliessen. Solche Einrichtungen kann man auch als negative Endstation eines selbstbestimmten und würdigen Lebens betrachten... Auf das Almosen des Handels (Abgabe von MHD gefährdeten und ohnehin schon als Verlust kalkulierten Lebensmitteln als steuerlich geltend zu machende Spende) angewiesen zu sein ist beschämend und sozial ungerecht, es löst auch ausser dem Hunger keine der für diesen ursächlichen Probleme sondern führt entweder zu Verharren auf allen Seiten oder zum Ausweichen des Schwächeren so es ihm noch möglich ist (Annehmen von unterbezahlter Arbeit). In einzelnen ARGEn bekommen in Not geratene Antragsteller inzwischen ernsthaft den Hinweis bei Hunger halt zur Tafel zu gehen. Das wird sogar im Einzelfall benutzt, um Leistungsgewährungen zu kürzen, einzustellen oder verspätet abzuarbeiten, ja, lange Bearbeitungszeiten zu rechtfertigen oder mit vorgeschobenen Gründen erst mal zu verweigern bis das Sozialgericht tätig wird. Ganz nach dem Motto: Der verhungert schon nicht, wenn wir erst mal 1-2 Monate nicht zahlen... Super Aussichten und super Motivation sich eher für 3,50 Euro die Stunde einen Knochenjob zu suchen... Und ja, so etwas drückt das Lohnniveau, wenn Menschen existenzielle Ängste haben, sich schämen müssen, betteln gehen sollen, in einem Staat, in dem eine Regierung zwar innerhalb kürzester Zeit milliardenschwere Banken- und Industriehilfen beschliessen kann, in dem aber andererseits noch einmal bei den ohnehin schon Ärmsten gespart werden soll...
  4. Durch die oft ehrenamtlich tätigen Helfer/innen nehmen solche Projekte bezahlte Arbeitsplätze weg und tragen damit ebenfalls zu einer weiteren Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt und damit auch auf dem Lohnmarkt bei. Man könnte die Helfer schliesslich auch aus dem Heer der Arbeitslosen rekrutieren (nicht als 1 Euro-Jobber und/oder zu Billiglöhnen gezwungen) und sie ordentlich für ihre Arbeit für die Ärmsten und Notleidenden der Gesellschaft bezahlen.

Im Prinzip sind solche Tafeln und Suppenküchen nichts anderes, als die abhängig machende bzw. abhängig haltende Entwicklungshilfe in der Dritten Welt, so sozial und gut sie auch zunächst gedacht sind.

Arme Menschen werden nur noch verwaltet, künstlich satt und still gehalten, statt ihnen eine selbstbestimmte Perspektive zu bieten. Im Fall von Tafeln und Suppenküchen wird an das soziale Engagement einzelner Menschen/Helfer appelliert, statt staatlicherseits die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es derartiges Elend in einem der reichsten Länder der Erde gar nicht erst gibt. Es ist an sich schon beschämend, dass es solche Einrichtungen in DE geben muss, damit niemand verhungert. Dass man sich dabei zusätzlich auch noch erfolgreich dem kostenlosen sozialen Engagement Einzelner bedient, ist ein gesamtgesellschaftliches Armutszeugnis. Ein Armutszeugnis einer Gesellschaft, die noch dazu längst nicht einmal mehr für jeden der qualifiziert ist und arbeiten will, einen Arbeitsplatz mit genug Einkommen für ein selbstbestimmtes Leben vorhalten kann, geschweige denn für die, die aus verschiedenen Gründen (z.B. Alter, Krankheit, mangelnde Qualifikation) benachteiligt sind, bei der Suche nach einer Erwerbsquelle.

Ein angemessenes, bedingungsloses Grundeinkommen für jederfrau und jedermann wäre IMHO ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma...

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Gruß Kai

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Kai Ebersbach
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Gerrit Heitsch schrieb:

Es gab zu DDR-Zeiten in der BRD das Konzept "soziale Marktwirtschaft". Hat sich leider überlebt, und die Folgen sehen wir jetzt.

Holger

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Alzheimer ist ganz toll. Man lernt ständig neue Leute kennen.
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Holger

Naja, die Konkurrenz fehlt jetzt...

Gerrit

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Gerrit Heitsch

Klaus Butzmann schrieb:

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"Vor Bernauer liegen Gutachten von Geologen auf dem Tisch. Er zieht eines hervor, legt ein Blatt quer, auf dem farbige Gesteinsschichten zu sehen sind. Ein harmloses Blatt Papier, doch es belegt Brisantes: Unter der Oberfläche von Staufen liegt eine 40 Meter hohe Schicht von Keuper, einem Gestein, das zusammen mit Wasser zu Gips wird. Bei der Erdwärme-Bohrung stieß man auf Grundwasser unter der Keuperschicht, das in dieser Tiefe mit gewaltigem Druck nach oben schießt. In den Sonden entstand dadurch ein Leck, sodass es mit dem Keuper in Kontakt kam. Seitdem bläht sich die Erde unter Staufen unaufhaltsam auf."

Klar, wenn man gebrannten Gips anbohrt und mit Wasser vermengt. Das kann dir jeder Elektro-Azubi erzählen, der schon mal Schalterdosen eingegipst hat. Geologie sollte man schon betreiben, wenn man die Erde nutzen will. Ist übrigens bei der Rohstoffgewinnung genauso. Schau dir mal den Golf von Mexiko an, wie dort das Badewasser aussieht.

Holger

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Holger

Kai Ebersbach schrieb:

Vielen Dank für deinen Text. Finde ich super, wie du die Dinge siehst.

Holger

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Holger

Wenn Du wegen einer Fussverleztung die sich spaeter als Verstauchung rausstellt 112 anruft duerften die Dir nachher eine fette Rechnung schicken.

Haelt bei Tretkurbellagerschaden nicht laenger als eine Millisekunde. Damit bin ich am haeufigsten liegengeblieben, oder gerissene Ketten.

Die Motivation die Firma Bombardier zum Erfolg zu bringen kam, als der Sohn der Familie Blinddarmentzuendung bekam und es keine gescheite motorisierte Transportmoeglichkeit gab. Der Blinddarm platzte und der Sohn starb. So sah damals die Realitaet aus :-(

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Gruesse, Joerg

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Joerg

Als Nachtlicht will ich es auch mal einsetzen, wenn die Dinger billiger werden.

Bei uns bei vielen nicht, weil amerikanische Luester und dergleichen oft die kleinen Kerzenbirnensockel haben. Erheblich kleiner als bei Euch, da gibt es keine (bezahlbaren) CFL fuer.

500W? Wow! Ich bekomme meinen Labortisch mit zwei Halogenlampen ausgeleuchtet, reicht selbst fuer feines SMT. Eine 50W, die andere 30W. Am Schreibtisch dann nochmal 50W Halogen.

Irgendwie sind die hier nicht so hell wie 12V Halogen.

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Gruesse, Joerg

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Joerg

Ach? Wenn Du wegen einer Fußverletzung anrufst, werden Dir Fragen gestellt werden. Wenn sich damit ein Mangel an Dringlichkeit klären läßt, kommt ein Krankentransportwagen statt eines Rettungswagens. Wenn sich damit ein Mangel an Dringlichkeit nicht klären läßt, kann man Dir keine fahrlässige Bestellung des Rettungsdienstes in Rechnung stellen, sofern Deine ärztliche Ausbildung Dich nicht dazu qualifiziert, eine richtige Diagnose zu stellen.

Und bist daran gestorben. Weil der nächste Punkt der Zivilisation mehr als einen Tagesmarsch entfernt war.

Äh, Du verwechselst gerade "als Autos noch ein Luxusartikel waren" mit "als das Schneemobil noch nicht erfunden war".

Eingeschneit 1934 im kanadischen Winter waren für den Krankentransport geeignete Fahrzeuge nicht Luxusartikel sondern schlicht nicht vorhanden. Auch nicht für den Rettungsdienst.

Ein Hubschrauber ist heutzutage privat immer noch ein Luxusartikel, was aber nicht bedeutet, daß Rettungsdienste nicht darüber verfügen könnten.

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David Kastrup
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David Kastrup

Das war ich nicht, hab's nur wiedergegeben :-)

Strukturell wird sich nur was aendern wenn man die Standortbedingungen fuer die Industrie aendert. Ohne Industrie keine Jobs, und ohne Jobs kein Realeinkommen.

Da sind die Leute hier offenbar nicht ganz so zimperlich. Allerdings hat das mit amerikanischer Offenheit zu tun, man schueppt Probleme nicht unters Sofa damit sie niemand sieht. So haben die Leute hier absoult kein Problem anderen in einer Gespraechsrunde frei heraus mitzuteilen dass sie regelmaessig zu einem Psychologen, zu einer Alkoholikergruppe oder zur Schulung ueber den Umgang mit Geld gehen. Bei einem mir bis dahin fremden Ingenieur erlebt: "Kommst Du nachher noch mit?" "Nee, heute abend geht das nicht, muss zum AA Meeting".

Manchmal muss man mit der Zeit gehen und was ganz anderes machen, notfalls dabei die eigenen hohen Qualifikationen schiessen lassen. Beispiel eines Bekannten: Er bekommt am Bau keine Arbeit mehr, aus naheliegenden Gruenden. Jetzt holt er fuer einen Bestatter Leichen ab, miserable Bezahlung aber besser als gar nichts.

Das ist nicht richtig. Entweder man hat fuer seine ganzen gezahlten Beitraege einen Anspruch oder nicht (hier hat man).

Aber wovon? Steuererhoehungen, damit noch mehr Leute und Unternehmen ins Ausland gehen?

Fuer die Erreichbarkeit solcher Voraussteungen koennte es inzwischen zu spaet sein :-(

In USA haben wir so etwas, nennt sich "Earned Income Tax Credit". D.h. Nichtverdiener bekommen "negative Steuer" auferlegt, sie bekommen etwas rausgezahlt. Ich weiss nicht wieviel, einige Tausend Dollars pro Jahr vermutlich. Wenn man es hoeher ansetzt foerdert das Faulenzerei, habe ich in NL live mitbekommen. Bin dann da weg, da ich das nicht mit dort damals abstrus hohen Steuerabgaben unterstuetzen wollte.

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Gruesse, Joerg

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Joerg

Joerg schrieb:

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Keine Schaumkrone. Abgestandenes Bier ist nicht wirklich mein Ding. Habt ihr nichts trinkbares wie Paulaner Hefeweizen, wie Becks, wie Guinness?

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So sollte Bier aussehen. Bemerkenswert finde ich die Werbung für Jever Pilsener. Ungepflegter Säufer mit Flasche in der Hand. Das ist meines Erachtens sogar die Bier-Realität.

Wie gestern vorm Aldi: Trinker mit einer Plastiktüte und einer zweiten Tasche voller Bierflaschen setzt zum Trinken an und verschüttet mit zitternder Hand die Hälfte seiner aktuellen Flasche. Er schaut ungläubig drein, murmelt etwas vor sich hin und setzt, nunmehr streng nach Bier riechend, seinen Versuch fort, Bier aus der Flasche zu trinken.

Holger

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Holger

Habe ich (in Deutschland) anders erlebt. Da wurde ganz klar gesagt dass ein Fahrer zu finden sei fuer den Verletzten. Ich war mit Fahrrad da, ging also nicht. Hatte nur den NL-Fuehrerschein dabei und mit dem durfte ich dessen Auto mit D-Kennzeichen nicht fahren.

Noe. Ich sage ja, wir koennen durchaus alle zurueck zum Leben der Amish. Mir wuerde das nicht allzviel ausmachen. Ausser dass ich dann meinen Beruf an den Nagel haengen muesste.

Das war ein Beispiel. Es hat aehnliche Faelle gegeben, weil der Zahnarzt nicht da war und der als einziges ein Auto gehabt haette.

Daher hat Armand Bombardier Winterfahrzeuge gebaut. Gdenauso wie Autos war das ein Fortschritt. Natuerlich kann man den immer auch fuer falsche Zwecke gebrauchen.

--
Gruesse, Joerg

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Joerg

Ich habe noch nie ein Auto besessen, und bin nicht gerade "Amish". Tatsächlich ist es im Zeitalter des Home Office viel leichter als früher, hochqualifizierte Berufe ohne Pendelei auszuüben.

Schließlich werde ich als Ingenieur und nicht als Chauffeur bezahlt.

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David Kastrup
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David Kastrup

Joerg schrieb:

Rettungseinsätze müssen grundsätzlich bezahlt werden. Übernimmt die Kasse. Wenn du in der Klinik landest, und der gebrochene Fuß war doch nur eine Bänderdehnung, zahlt die Kasse den Krankentransport trotzdem, zudem ein Unfallopfer nicht auch noch die ärztliche Diagnose an sich selbst vornehmen kann, um zu rechnen, ob 112 angerufen werden sollte oder eher doch nicht, denn es kostet ja Geld.

Wenn man die Lager richtig einstellt, halten sie sehr lange. Und gerissene Ketten kann man auch vermeiden, wenn man merkt, daß ausgeleierte Ketten gerne von den Kettenblättern abspringen. Dann kann man austauschen gehen, meistens leider alles: Kettenblätter, Ritzel, Umwerfer, und die Kette, je nach Zustand.

Holger

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Alzheimer ist ganz toll. Man lernt ständig neue Leute kennen.
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Holger

Joerg schrieb:

In Deutschland haben wir Westerwelle. Der würde am liebsten die Menschen abschaffen, die arbeitslos sind.

Holger

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Holger

Bombardier baut auch heute noch keine gescheiten Transportmittel :-)

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-ras

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Ralph A. Schmid

http://www.dk5ras.de/ http://www.db0fue.de/
http://www.bclog.de/
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Ralph A. Schmid, dk5ras

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Natuerlich gibt es das hier. Bin gerade unterwegs und es steht so eines neben mir:

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Lecker. BTW, die Placerville-Brwing Biere giessen wir bei uns zuhause ganz normal mit Krone ein. Auch im Saloon selbst machen sie es so, es sei denn man mag das nicht.

Hmm, nun muss ich ja zugeben dass ich auch meist aus der Buddel trinke. Ist in Amerika oft ueblich. Peinlichkeit hoch drei: Frau auf Besuch in Deutschland. Gastgeber haben feierlich engedeckt, Bier wird aus Flaschen in edle Glaeser geschenkt und die Flaschen mit dem Rest daneben auf einen Untersetzer. Gastgeber prostet in die Runde, Frau greift unterbewusst nach der Pulle ...

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Gruesse, Joerg

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Joerg

Da waere ich mir nicht so sicher dass sie nicht rueckfordern.

Und wenn man sich ins Kaemmerlein schliesst und nie rauskommt kann auch nix passieren :-)

Aber im Ernst, mir sind nagelneue Ketten gerissen. Meist bei etwas brutalen Bergfahrten.

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Gruesse, Joerg

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Joerg

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Ich kenne nur deren Flugzeuge und die sind recht ordentlich (die Web Site weniger):

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Gruesse, Joerg

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Joerg

Joerg schrieb:

Ketten hab ich =F6fter mal geflickt, das stellt kein Problem dar, aber=20 wenns die Tretkurbel oder die Pedale abgebrochen hat, hilft wirklich=20 kein Flickzeug.

Ist mir schon mehrfach =FCber die letzten 15 Jahre passiert, zum Gl=FCck =

aber dennoch recht selten.

Guido

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Guido Grohmann

Holger schrieb:

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Brrrr. Davon ist aber gerade mal Guinness trinkbar.

Guido

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Guido Grohmann

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